Hinter Glas

Meine in den letzten Wochen fast aus der Not geborene Küchentischarbeit an den Wochenend-Vormittagen hat zu einer Serie von ganz unterschiedlichen Hinterglasmalereien geführt.

Inspiriert von meinem Besuch in der Berliner Galerie Judin und den dort damals ausgestellten Arbeiten von Philipp Fürhofer habe ich mich mal wieder mit Acrylfarben beschäftigt und einer für mich völlig neuen Technik gewidmet.

Anders als bei einem Gemälde wird die Farbe auf der Rückseite des Bildträgers aufgetragen, wobei alle Motive und Schriftzüge seitenverkehrt gemalt werden und auch die Reihenfolge der Arbeitsschritte umgekehrt wird: Zuerst werden die Konturen gezeichnet, dann die Schraffuren und Schatten, Beschriftungen und Details, danach werden die Motive ausgemalt und ganz zum Schluss schließt der Hintergrund die restliche Bildfläche.

Der gefallene Riese

Die Technik erfordert bei einer freien Malerei ein gründliches Nachdenken. Beginnend mit der spiegelverkehrten Darstellung, dem Aufbau der Schichten von vorn nach hinten und dem für mich völlig ungewohnten irreversiblen Auftrag der Schichten ist es auch ein Stück weit ein Lernprozess.

Die Hölle

Allein die Entscheidung, wann eine Schicht „fertig“ ist und der spannende Moment, wenn man das Glas umdreht und sich das Zwischenergebnis anschaut, setzen Prozesse in Gang. Man hat ein Bild ja weitestgehend im Kopf, bevor man anfängt. Und wenn man nicht als geduldigster Vertreter gilt, muss man zwangsläufig seine Pläne spontan etwas anpassen.

Birkenwäldchen

Hinzu kommt, dass sich dem Betrachter bei wechselndem Tageslicht und den damit verbundenen Spiegelungen auf dem Glas jedes Mal ein etwas anderer Eindruck vermittelt. Selbst die krampfhaften Versuche, mit meinem Smartphone Fotos mit realistischer Farbwiedergabe zu fertigen, sind bisher kläglich gescheitert.

Über allen Wipfeln ist Ruh

Es ist eine etwas in Vergessenheit geratene Technik und ob Ihrer Nähe zur Darstellung überwiegend religiöser Themen in früheren Jahrhunderten wohl auch nicht unbedingt zeitgeistig. Mit heutigen Mitteln kann man aber auch sehr kreativ sein und sich quasi austoben.

Leonore oder das zerbrochene Glas

Angesichts der Vielzahl unfertiger Leinwände sollte dieses Bild als Versuch eines Porträts erst einmal der Abschluss sein. Anstatt von Acrylglas habe ich hier einfach das Bilderglas des Wechselrahmens verwendet. Was ich nicht bedacht hatte ist, dass exzessives und zu heißes Fönen der Farbschichten durchaus bei Glas zu Spannungen führen kann. Als ich es umdrehen wollte, hatte ich plötzlich ein sauber in zwei Teile gespaltenes Glas vor mich. Das war insofern ärgerlich, weil ich das Porträt schon fertig angelegt hatte.

Also beschloss ich, den Fauxpas zum Teil der Komposition zu erklären und einfach weiter zu machen. 🙂

Mit einer weiteren Scheibe als Schutz ist es hoffentlich stabil und sicher genug.

In unserer Küche gab es in den letzten Monaten öfter mal Bruch. Das Universum will es offenbar so.

Der Versuch, den Effekt des sich mystisch ändernden Bildes, wie man es von bunten Kirchenfenstern kennt, nachzustellen, ist noch nicht ganz gelungen.

Auf dem Foto beleuchtete eine Schreibtschlampe das Glas von hinten. Also dachte ich mir mal wieder „dem Ingenieur ist nichts zu schwör“, kaufte einen klassischen Rahmen für eine Leinwand, ein LED-Lichtband und eine weiß beschichtete Rückwand.

Zwischenstand vor den Optimierungsversuchen

Leider ist der Effekt ein etwas anderer. Abstandshalter, eine schwarze Abschlußschicht an den Rändern (um die Lichtpunkte von außen unsichtbar zu machen) und zugleich die Lichtstärke im Zentrum des Bildes zu erhöhen, führten nicht zum beabsichtigten Effekt.

Zu sehen wird es sein beim Kunstmarkt im Pirnaer Rathaus am 13./14.12.. Eventuell baue ich die Konstruktion danach wieder auseinander und fahnde nach einer LED-Lösung mit höherer Leuchtkraft.