Es war 1987, als mir meine Schwester ein Buch schenkte, was mir damals einen völlig neuen Kosmos erschloss. Es war „Der Wachsmann Report -„Auskünfte eines Architekten“. Der Lebensbericht des deutsch-amerikanischen Architekten KOnrad Wachsmann (1901-1980). Unglaublich, wem dieser Mensch in seinem Leben alles so begegnete. Das Personenverzeichnis liest sich wie ein Who is who dieser Zeit, Architekten, Schriftsteller, Künstler. Immer wieder ergab sich daraus der Impuls, sich mit einem Namen und dessen Geschichte mehr zu beschäftigen.
Ich bin gewiss kein Freund des ÖRR, aber zumindestens auf Arte kann man sich diese Impulse auch ab und zu holen:
Meine in den letzten Wochen fast aus der Not geborene Küchentischarbeit an den Wochenend-Vormittagen hat zu einer Serie von ganz unterschiedlichen Hinterglasmalereien geführt.
Inspiriert von meinem Besuch in der Berliner Galerie Judin und den dort damals ausgestellten Arbeiten von Philipp Fürhofer habe ich mich mal wieder mit Acrylfarben beschäftigt und einer für mich völlig neuen Technik gewidmet.
Die Technik erfordert bei einer freien Malerei ein gründliches Nachdenken. Beginnend mit der spiegelverkehrten Darstellung, dem Aufbau der Schichten von vorn nach hinten und dem für mich völlig ungewohnten irreversiblen Auftrag der Schichten ist es auch ein Stück weit ein Lernprozess.
Die Hölle
Allein die Entscheidung, wann eine Schicht „fertig“ ist und der spannende Moment, wenn man das Glas umdreht und sich das Zwischenergebnis anschaut, setzen Prozesse in Gang. Man hat ein Bild ja weitestgehend im Kopf, bevor man anfängt. Und wenn man nicht als geduldigster Vertreter gilt, muss man zwangsläufig seine Pläne spontan etwas anpassen.
Birkenwäldchen
Hinzu kommt, dass sich dem Betrachter bei wechselndem Tageslicht und den damit verbundenen Spiegelungen auf dem Glas jedes Mal ein etwas anderer Eindruck vermittelt. Selbst die krampfhaften Versuche, mit meinem Smartphone Fotos mit realistischer Farbwiedergabe zu fertigen, sind bisher kläglich gescheitert.
Über allen Wipfeln ist Ruh
Es ist eine etwas in Vergessenheit geratene Technik und ob Ihrer Nähe zur Darstellung überwiegend religiöser Themen in früheren Jahrhunderten wohl auch nicht unbedingt zeitgeistig. Mit heutigen Mitteln kann man aber auch sehr kreativ sein und sich quasi austoben.
Leonore oder das zerbrochene Glas
Angesichts der Vielzahl unfertiger Leinwände sollte dieses Bild als Versuch eines Porträts erst einmal der Abschluss sein. Anstatt von Acrylglas habe ich hier einfach das Bilderglas des Wechselrahmens verwendet. Was ich nicht bedacht hatte ist, dass exzessives und zu heißes Fönen der Farbschichten durchaus bei Glas zu Spannungen führen kann. Als ich es umdrehen wollte, hatte ich plötzlich ein sauber in zwei Teile gespaltenes Glas vor mich. Das war insofern ärgerlich, weil ich das Porträt schon fertig angelegt hatte.
Also beschloss ich, den Fauxpas zum Teil der Komposition zu erklären und einfach weiter zu machen. 🙂
Mit einer weiteren Scheibe als Schutz ist es hoffentlich stabil und sicher genug.
In unserer Küche gab es in den letzten Monaten öfter mal Bruch. Das Universum will es offenbar so.
Der Versuch, den Effekt des sich mystisch ändernden Bildes, wie man es von bunten Kirchenfenstern kennt, nachzustellen, ist noch nicht ganz gelungen.
Auf dem Foto beleuchtete eine Schreibtschlampe das Glas von hinten. Also dachte ich mir mal wieder „dem Ingenieur ist nichts zu schwör“, kaufte einen klassischen Rahmen für eine Leinwand, ein LED-Lichtband und eine weiß beschichtete Rückwand.
Zwischenstand vor den Optimierungsversuchen
Leider ist der Effekt ein etwas anderer. Abstandshalter, eine schwarze Abschlußschicht an den Rändern (um die Lichtpunkte von außen unsichtbar zu machen) und zugleich die Lichtstärke im Zentrum des Bildes zu erhöhen, führten nicht zum beabsichtigten Effekt.
Zu sehen wird es sein beim Kunstmarkt im Pirnaer Rathaus am 13./14.12.. Eventuell baue ich die Konstruktion danach wieder auseinander und fahnde nach einer LED-Lösung mit höherer Leuchtkraft.
Es ist sicher normal, dass an einem Samstag abend, der zugleich auch noch ein Feiertag ist, das Leben eher rund um die Kärtner Straße und in den Cafes und Restaurants tobt. Ansonsten hat man alles, was von Rathaus, Burgtheater, Hofburg bis Museumsquartier sich an der Ringstraße aufbaut, mehr oder weniger für sich. Auffällig ist nur, dass gefühlt 75% der abends Schlendernden entweder Russisch/Ukrainisch-stämmig oder aus Syrien sind. Wien hat sogar einen höheren prozentualen Anteil an Migranten als z.b. Berlin. Ich denke, das war schon immer so, auch wenn sich die Herkunftsländer sicher anteilmäßig geändert haben. Waren es früher Serben oder Kroaten usw., die inzwischen in 2. oder 3. Generation in Wien leben, sind es seit 2015 andere Herkunftsländer, welche dominieren.
Wien ist die Heimat von Menschen aus 181 Ländern, die TOP 3 sind Serbien, Syrien und Deutschland.
Der olle Goethe zählt sicher nicht mit, thront aber auch seit etwa 1900 auf seinem Prunksessel. Gegossen übrigens in Wien in einem Unternehmen von Arthur Krupp.
Eine echte Wienerin traf ich sogar auch vor der Haustür im 2. Bezirk, die mir die Anwohnerparkzone sowie die katholischen irischen Ursprünge von Halloween und ihre Abneigung gegen die heutigen Bräuche und Sitten erklärte.
Der „Kunstsommer“ mit Produzentengalerie und Live Painting ist Geschichte und eine Handvoll Bilder harren nun ihrer Fertigstellung. Ob sich angesichts der vielen Baustellen noch Zeit findet, ist eher fraglich.
Brian hat (wie ich finde) einen sehr prosaischen Artikel über die Las Vegas-Einkaufsnacht in Pirna geschrieben, den ich mal kommentarlos verlinke.
Immer lesenswert und ich freue mich immer, wenn er wie im Artikel über die Schule von Barbizon einen Gedanken von mir aufnimmt und strukturiert das Tor zur Kunstgeschichte aufstößt.
Während meiner Leipziger Zeit war ich öfters auf dem agra-Trödelmarkt und eines kalten Tages im Januar stand da ein großer Ölschinken an einen LKW gelehnt, beschädigt und restaurierungsbedürftig. Die Signatur konnte ich damals nicht entziffern und so ließ ich die Finger davon. EIne spätere Recherche mit meiner Schwester ergab, dass es ein Bild von Charles Deshayes war, einem Vertreter der Schule von Barbizon. Das Bild tauchte Wochen später bei ebay auf und verschwand dann wieder von der Bildfläche. Ich hoffe, es hat sich ein Kenner gefunden, der es zu schätzen weiß und es gerettet hat.
Zur Pirnaer Einkaufsnacht am 12. September bin ich wieder dabei und werde ein ziemlich großes Bild zum Thema „Las Vegas“ versuchen zu vollenden. Zu finden bin ich dieses Jahr auf der Barbiergasse. Hoffen wir auf gutes Wetter wie im letzten Jahr!
Am 28. Juli starb im Alter von 66 Jahren ausgerechnet ein „junger Wilder“. Herbert Brandl gehörte zu den für mich inspirierenden Malern meiner „abstrakten Phase“.
Ein Rügen-Urlaub ohne Radtouren und Galeriebesuchen ist eigentlich undenkbar. Dieses Mal haben wir es endlich geschafft, mal nach Sellin zu radeln und nach der wenig erbaulichen Geige-Gitarre-Straßenmusik an der Seebrücke die etwas abseits in der alten Feuerwache gelegene Galerie von Knut Hartwig zu besuchen.
Was sofort auffällt, ist die Auswahl der Künstler, welche die aktuelle Sommerausstellung bestückt haben. Neben dem gebürtigen Pirnaer Maik Wolf, dessen Bild wohl nicht zufällig Luiza zur Assoziation mit den Bildern von Cornelia Schleime brachte, den Ateliernachbarn meines Heros Jonas Burgert, Christian Achenbach, Lennart Grau oder Axel Geis, um nur Einige zu nennen.
Man muss schon sehr lieben was man tut und jede Menge Beharrungsvermögen haben, um sich auf dem Kunstmarkt nicht nur zu behaupten, sondern auch etwas auf die Beine zu stellen, was man sonst eher in Berlin, aber nicht auf dem Mönchgut erwartet. Chapeau!
Nun ist es schon wieder 4 Jahre her, dass ich mich nach Belgrad aufgemacht habe, um mich das erste Mal mit Lisotschka zu treffen. Davor war es schon aufregend durch Corona, Putins Streichung aller touristischer Flüge in die Türkei, was nach gefühlt wöchentlichen Umbuchungen zur Stornierung der Reise 2 Tage vor Abflug führte.
Gleich am ersten Tag in Belgrad haben wir unseren Lieblingsplatz gefunden, das Supermarket Deli. Das beste Frühstück in Belgrad und der beste Platz, um das skurille Treiben zu beobachten.
Ein Jahr später an Ostern, als ich dort allein meinen Geburtstag in der Oper verbrachte und auf sie wartete, schwand meine Zuneigung zu Air Serbia gewaltig. Zu offensichtlich nutzte die Staatsairline ihr Monopol und überbuchte die überteuerten Flüge. Aber als Lisotschka nach 4 Tagen eisernen Wartens in Scheremetjewo doch noch kam, wußte ich sofort, dass sie etwas Besonderes ist. Während ich planmäßig im Flieger zurück nach Berlin sass, musste sie eine Nacht länger am Flughafen ausharren, um dann über Sotschi zurück nach Moskau zu fliegen. Immerhin haben wir noch Novak Djokovic bei seinem Heimspiel Tennis spielen sehen.
So eindeutig waren kurz nach Kriegsbeginn die Sympathien in Belgrad auch nicht verteilt. Da wurde aus dem russischen Bruder schnell mal eine Ratte.
Im August 2022 konnte ich Sie dann das erste Mal zu mir holen. Damals war es noch nicht absehbar, dass wir weitere 18 Monate Kampf vor uns hatten.
Am Ende fügt sich alles und 3 Jahre nach dem Seeed-Konzert in Berlin war es naheliegend, unser Galerieprojekt Hale Bopp zu nennen.
Wenn man eine Produzentengalerie betreibt, besteht ein Großteil der Zeit als Galeristin darin, dem zähen Fließen der Zeit mit produktiven Arbeiten zu begegnen. Umso schöner sind die Gespräche mit den Menschen, die durch die Tür treten. Neulich betrat eine ehemalige Lehrerin die Galerie und war innerhalb kurzer Zeit in ein Gespräch mit Luiza in ihrer Muttersprache vertieft.
Auch wenn es eher das Ziel ist, Ihre Kommunikation auf Deutsch mit wildfremden Menschen zu verbessern, schritt ich nicht ein und verfolgte mit Interesse die Unterhaltung. Man sprach u.a. über die Peredwischniki (zu deutsch „Wanderer“-Bewegung), die sich 1870 in St. Petersburg im Widerstand gegen die akademischen Doktrinen gründete. Ihr gehörten mit der Zeit alle auch heute noch bekannten Avantgardisten wie Kramskoi, Schischkin, Repin, Lewitan usw. an.
Mich triggerte die Erwähnung und ich fand mich vor meinem inneren Auge zurückversetzt in den Dezember 2021, als ich kurz vor Kriegsausbruch in Moskau weilte. Einer der Vertreter dieser Künstlervereinigung wurde in Mariupol geboren und ist ein gutes Beispiel für die Disonanz von Kulturerbe und Nationalismus. Ich rede von Archip Iwanowitsch Kuindschi, dessen Werke mit das Beeindruckendste waren, was ich in der Tretjakow-Galerie sah.
Sein berühmtestes Werk „Mondlicht am Dnepr“ hängt im Russischen Museum (!) in St. Petersburg, Versionen davon in besagter Moskauer Galerie, aber auch in Simferopol, Weißrussland [sic!] oder Kiew.
Das ihm gewidmete Kunstmuseum in Mariupol wurde nur 3 Monate nach meinem Tretjakow-Besuch durch einen Luftangriff der russischen Armee zerstört. Viele Bilder verschwanden.
Ich war nur einmal in der Ukraine, als Abiturient mit dem Freundschaftszug auf Jugendtourist-Reise nach Kiew. In Erinnerung blieben mir vor allem alte Leute, die deutsche Laute vernehmend, sehr böse schauten und schimpften sowie die Ignoranz meiner Mitschüler, die gestikulierend am hölzernen Kassehäuschen auf deutsch mit „Zweimal“ ihre EIntrittskarten orderten und mich in einem Gefühl des Fremdschämens zurückließen.
In Erinnerung blieb mir auch der Besuch des Nationalen Museums der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg ob der Monumentalität der Anlage, der inszenierten breiten Granitfusswege, die zum Museum mit der riesigen Mutter Heimat-Statue darauf führten. Von einem Leonid (Breshnew) 1981 eröffnet, vom Anderen (Kutschma) zum Nationalmuseum erhoben.
Auf dem riesigen Schild der Mutter Heimat prangte bis 2023 das Wappen der Sowjetunion, seitdem der Dreizack der Ukraine.
Als ich neulich mit Luiza nach Berlin zum russischen Konsulat fuhr, fragte sie mich nach der Bestimmung des ebenso protzigen Gebäudekomplexes auf der Wilhelmstraße, den wir passierten. Ich antwortete, das dieses Gebäude als Reichsluftfahrtministerium gebaut wurde, zu DDR-Zeiten „Haus der Ministerien“ hieß und nach der Wiedervereinigung als Sitz der Treuhandanstalt und nun als Bundesfinanzministerium dient.
Ironie, das trutzige Symbole der Macht und Stärke den Untertanen zu jeder Zeit und in jedem System signalisieren, was sie erwartet. Manchmal in der Geschichte mutieren sie aber auch zum letzten Zufluchtsort und Asyl der Verwalter und Verwirrten, wenn mal wieder friedliche Wanderer auf den Straßen von Veränderung künden.